Gipfelstürmer, Spezialist, Clown – Welche Charaktere machen ein Team erfolgreich?

Gute Teamarbeit ist ein Schlüsselfaktor, um Aufgaben erfolgreich umzusetzen – das gilt im Sport ebenso, wie in der Wissenschaft oder Wirtschaft. Unzählige brillante Entwicklungen haben nie ihren Weg in die Produktion oder den Verkauf gefunden, weil die technischen Experten keine Unterstützung von jemandem hatten, der das Management überzeugen, Geldgeber finden oder das Marktpotenzial erfassen konnte. Wie also funktionieren erfolgreiche Teams? Spielt die Zusammensetzung der Gruppe eine entscheidende Rolle? Falls ja, welche Persönlichkeitsprofile sind dann besonders wichtig für den Teamerfolg? Wir haben dieses Thema unter die Lupe genommen und typische Rollen und Persönlichkeitsprofile im Team sowie Tipps zur Motivation dieser Charaktere zusammengestellt.
Produktive Teams sind entscheidend für den Erfolg von Organisationen. Sie entstehen aber meist nicht von selbst. Neben den fachlichen Fähigkeiten, sind auch die Soft Skills und Persönlichkeitsprofile der einzelnen Mitglieder entscheidend für ihre Zusammenarbeit. Zu viele Alpha-Persönlichkeiten können genauso ein Problem sein, wie wenn in einem Team andererseits niemand bereit ist, die Verantwortung zu übernehmen oder eine Richtung vorzugeben.
Ein Beispiel für die Wichtigkeit von Gruppenkompatibilität ist die Raumfahrt. Internationale Teams arbeiten bereits heute auf Raumstationen, wie der ISS, wochenlang auf engstem Raum zusammen. Im Jahr 2033 plant die NASA erstmals Raumfahrer auf die rund 400 Millionen Kilometer lange Reise zum Mars zu schicken. Die Zusammenarbeit der Astronauten und Forscher auf der vermutlich über drei Jahre langen Mission gehört dabei zu den wichtigsten Faktoren. Die US-Weltraumbehörde untersuchte daher das Thema Gruppendynamiken. Dabei wurden u.a. Test-Gruppen je 45 Tage in einem Simulator isoliert und dabei beobachtet, wie sie mit Arbeitsaufgaben, verzögerter Kommunikation zur Außenwelt, Stress, Schlafmangel und miteinander umgehen[i]. Die Ergebnisse des Versuchs zeigten, dass bestimmte Persönlichkeitsprofile auf jeden Fall vertreten sein müssen, damit eine Gruppe Erfolg hat.
Zur gleichen Erkenntnis kam auch bereits der Anthropologe Jeffrey Johnson. Er beobachtete die Dynamik bei Gruppen von 10 bis 28 Personen – zum Beispiel auf Forschungsstationen in der Antarktis. Außerdem wertete er Aufzeichnungen von Südpolexpeditionen aus. Sein Fazit war, dass Roald Amundsen vermutlich ohne seinen humorvollen Koch nie als erster Mann den Südpol erreicht hätte. Koch Lindstrøm konnte immer wieder Spannungen lösen und die Gruppe zum Weiterziehen bewegen. 1911 vermerkte Amundsen in seinem Tagebuch: "Er hat mehr zur norwegischen Polarexpedition beigetragen als jeder andere"[ii].
Aber auch bei alltäglicheren Situationen, wie beim Sport oder im beruflichen Umfeld, lässt sich positive und negative Gruppendynamik beobachten. Dabei zeigt sich, dass heterogene Gruppen mit unterschiedlichen Charakteren und Rollen besonders erfolgreich sind. Problematisch dabei solche Teams zusammenzustellen ist aber, dass Menschen dazu neigen, sich in möglichst homogene Untergruppen aufzuspalten. Personalverantwortliche und Führungskräfte sollten daher heterogene Teamzusammensetzungen aktiv fördern, um Synergien zu nutzen.
Typische Rollen und Persönlichkeitsprofile in Teams
Die „Anführerin“:
Sie oder er trägt die Verantwortung und gibt dem Team die Richtung vor, sollte aber auch Hindernisse aus dem Weg räumen, Probleme lösen und bereit sein, die Verantwortung zu übernehmen, falls etwas schief geht. Eine solche Führungspersönlichkeit sollte die anderen Team-Mitglieder inspirieren können, ihre Leistung einzubringen.
Tipp zur Motivation:
Autonomie bei der Führung des Teams als Zeichen des Vertrauens beflügelt Anführer. Zusätzliche Verantwortung und die Option, sich bei neuen Herausforderungen immer wieder zu beweisen, werden diese Persönlichkeiten meist positiv aufnehmen.
Der „Spezialist“
In den meisten Teams gibt es einen oder mehrere Spezialisten. Sie haben spezielle fachliche oder technische Skills, die für die Aufgabenstellung und Zielsetzung notwendig sind. Sie können durch ihre Spezialisierung aber auch einen Tunnelblick haben und dabei eventuell das übergeordnete Ziel aus den Augen verlieren. Auch ihre Erkenntnisse verständlich und zielgerichtet an Fachfremde zu kommunizieren, ist für mache Spezialisten eine Herausforderung.
Tipp zur Motivation:
Spezialisten legen großen Wert auf die Wertschätzung ihrer Fachexpertise. Für das Erreichen der Zielsetzungen ist es jedoch genauso wichtig, ihre Einbindung in die Gruppe zu unterstützen. Neben fachbezogenen Fortbildungsoptionen, können auch Kommunikationstrainings die Weiterentwicklung und Karriere von Spezialisten fördern.
Die „Gipfelstürmerin“
Wenn Leistung gefragt ist, krempelt sie die Ärmel hoch und bringt Höchstleistungen. Sie liebt Herausforderungen, Verantwortung und Eigenständigkeit. Sie ist geistig agil und reagiert schnell auf sich wandelnde Anforderungen. Diese Persönlichkeit kann auch Team-Chef sein. In vielen Gruppen-Konstellationen überlässt sie die Gesamtleitung aber lieber jemand anderem und konzentriert sich auf die erfolgreiche Umsetzung der Projekte sowie konkrete Ergebnisse.
Tipp zur Motivation:
Eine regelmäßige Belohnung für den besonderen Einsatz und die erzielten Erfolge helfen dabei, diese Mitarbeiter zu halten. Sie blühen auf, wenn sie kontinuierliche Abwechslung durch neue Projekte und Herausforderungen sowie Karriereperspektiven und Entwicklungschancen geboten bekommen.
Der „Clown“
Wie eingangs beschrieben, sind sich die NASA und andere Forscher einig: „Jede Gruppe braucht einen Clown“! Eine harmonisierende, humorvolle Persönlichkeit mit einem offenen Ohr für Privates und Probleme kann zum Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Umsetzung einer Aufgabe durch ein Team werden. Dieser Charaktertyp kann Spannungen lösen und damit dafür sorgen, dass sich die Aufmerksamkeit wieder auf das gemeinsame Ziel richtet. Miteinander lachen oder gemeinschaftliche Unternehmungen neben der eigentlichen Arbeit fördern nachweislich den Team-Zusammenhalt.
Tipp zur Motivation:
Das von den Kollegen und der Teamleitung entgegengebrachte Vertrauen sowie positives Feedback sind eine wichtige Bestätigung für den „Clown“. Führungskräfte sollten ihm die Möglichkeit geben, seine extrovertierte Seite auszuleben, auch wenn dies nicht sofort zielführend erscheint.
Die „Erfahrene“
Durch ihren reichhaltigen Erfahrungsschatz kann sie in vielen Situationen zur Problemlösung beitragen. Sie ist häufig ein Stabilisator und Ruhepol im Team und kann, wie der „Clown“, die Position einer Vertrauensperson einnehmen. Da ihre Karriere bereits fortgeschritten ist, teilt sie ihr Wissen bereitwilliger als andere.
Tipp zur Motivation:
Die Wertschätzung ihrer Erfahrung und Verlässlichkeit sind wichtig für diese Persönlichkeit. Entwicklungsmöglichkeiten, etwa eine Funktion als Mentor für neue Mitarbeiter oder eine Schlüsselrolle im Austausch mit anderen Abteilungen, können eine weitere Motivation darstellen.
Der „Impulsgeber“
Ein Neuzugang kann die Gruppendynamik verändern – egal, ob es sich um einen neuen Kollegen oder einen Quereinsteiger aus einem anderen Fachbereich des Unternehmens handelt. Er kann aber auch einen frischen Blickwinkel und wertvolles Know-how einbringen und damit inspirierende Impulse für die Gruppe auslösen.
Tipp zur Motivation:
Ein gutes Onboarding und Einarbeitung, ggf. in Kombination mit einem Mentor, erleichtern den Einstieg. Eine klare Aufgabenstellung und die Vermittlung der übergeordneten Ziele sind ebenso wichtig. Regelmäßiges Feedback, insbesondere in Bezug auf Leistungs- und Karriereziele, sind ein weiterer wesentlicher Motivationsfaktor.
Fazit: Viele Rollen innerhalb einer Gruppe werden von den Mitgliedern selbst zugewiesen. Ein wichtiges Erfolgskriterium ist dabei, dass diese inoffizielle Rollenverteilung mit der offiziellen Funktion der Teammitglieder übereinstimmt. Die Team-Leitung sollte also auch von der Gruppe anerkannt werden – sonst sind Spannungen vorprogrammiert. Personalverantwortliche sollten daher einschätzen können, ob sich das Persönlichkeitsprofil eines Mitarbeiters für seine Team-Funktion eignet. Ebenso wichtig ist die Berücksichtigung des Profils in Bezug auf die Mitarbeiterentwicklung und -förderung sowie die Motivationsmaßnahmen. Moderne Talent Management Systeme unterstützen den Dialog und regelmäßiges Feedback, das Entwickeln und Verfolgen von Karrierezielen und den Zugriff auf Lernangebote für den Ausbau der Kompetenzen jedes Mitarbeiters.
Die Expertin:
Doris Pearce-Niederwieser ist Senior Customer Sales Director bei SumTotal Systems. Die gebürtige Österreicherin hat einen Master-Abschluss in Organisationspsychologie und verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung im Markt für Lösungen zur Unterstützung von HR- und Human Capital Management (HCM) sowie Corporate Learning.
[i]https://www.mccormick.northwestern.edu/news/articles/2019/02/northwestern-study-of-analog-crews-in-isolation-reveals-weak-spots-for-mission-to-mars.html